Macht 5G die RFID-Technologie überflüssig?

In Deutschland sind die ersten 5G-Netze verfügbar. Das birgt enormes Potenzial für die Industrie 4.0. Ein Gespräch mit dem Diplominformatiker Karl A. Hribernik vom BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik.

Foto: Sabine Nollmann

Der Diplominformatiker Karl A. Hribernik forscht und arbeitet am BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik. Er leitet im Bereich „Informations- und kommunikationstechnische Anwendungen in der Produktion“ (IKAP) die Abteilung „Intelligente IuK-Umgebungen für die kooperative Produktion“.

Die ersten 5G-Netze sind in deutschen Großstädten wie Berlin, Köln oder München nutzbar. Wie wird der neue Mobilfunkstandard die Industrie beeinflussen?

Karl A. Hribernik: Durch die Eigenschaften von 5G lassen sich die Visionen der Smart Factory viel schneller, viel leichter, viel flexibler verwirklichen. 5G ist für Industrieunternehmen interessant, die die digitale Transformation nun vor sich haben und physische Objekte wie Maschinen, Produkte oder Anlagen miteinander vernetzen wollen. Das Internet der Dinge und Industrie 4.0 werden durch 5G einen gewaltigen Schub erleben.

Welche Eigenschaften von 5G ermöglichen diesen Wandel hin zur vernetzten Fabrik?

Karl A. Hribernik: Einerseits bietet 5G bis zu hundertmal höhere Übertragungsgeschwindigkeiten als bislang und eine sehr große Zuverlässigkeit, andererseits eröffnet es die Möglichkeit des Network-Splittings: Auf einer physischen Hardware können verschiedene private Netzwerke eingerichtet werden. Diese Privatheit der Netze garantiert den Firmen die Hoheit über ihre Daten – ein ausschlaggebender Faktor für die Industrie.

Welche Rolle spielt die Produktkennzeichnung in der smarten Fabrik?

Karl A. Hribernik: Die geringste Anforderung an ein intelligentes Produkt ist, dass es nachverfolgbar ist. Es muss daher irgendwie gekennzeichnet oder automatisiert erkennbar sein. Dafür gibt es verschiedene Technologien, von Barcodes und Data-Matrix-Codes über RFID-Technologie bis hin zu eingebetteten Systemen, die funken. Die Produktkennzeichnung ist die Grundlage jeglicher Intelligenz oder Netzanbindung von Produkten.

Die RFID-Technologie gilt als konventionelle Identifikationstechnik. Wird 5G neue Technologien in diesem Bereich beflügeln, die RFID überholen? Kurzum: Bedeutet 5G das Aus für die RFID-Technik?

Karl A. Hribernik: Bei 5G und RFID handelt es sich um zwei verschiedene, nur schlecht miteinander vergleichbare Technologien. 5G wird RFID nicht ersetzen, es gibt da kein klares ‚versus’ zwischen den beiden Technologien – aber sie können sich in Kombination gegenseitig ergänzen. 5G ist aktuell allerdings noch sehr teuer und energieaufwendig: Der Einsatz rechnet sich nur bei hochwertigen Produkten.

Wie könnte eine sinnvolle Ergänzung von 5G und RFID aussehen?

Karl A. Hribernik: In der Smart Factory ermöglicht das Zusammenspiel der beiden Technologien eine leichtere, schnellere, flexiblere und sicherere Nachverfolgung von Produkten. Wenn wir RFID verwenden, brauchen wir immer auch Lesegeräte. Wenn 5G-fähige Lesegeräte auf den Markt kommen, lassen sie sich direkt ins 5G-Netz einbinden. Das ermöglicht deutlich mehr Lesepunkte, vielleicht auch mobile Lesepunkte, generiert genauere Daten und bildet somit die Grundlage für optimierte Prozesse. Auch Roboter in der vernetzten Fabrik könnten mit einem Lesegerät ausgestattet sein und darüber Informationen zum Produkt oder Handlungsanweisungen über den weiteren Fertigungsprozess erhalten. Hinzu kommt die Möglichkeit des Edge Computing: der dezentralen Datenverarbeitung im Netzwerk. Damit müssen die gesammelten Daten nicht mehr aufwendig in die Cloud gebracht werden, sondern eine Big Data-Analyse könnte direkt im Netzwerk erfolgen.

Experten gehen davon aus, dass die Telekommunikationsunternehmen ihre Infrastruktur erst zwischen 2025 und 2030 vollständig auf 5G umstellen werden. Muss sich die Industrie also noch etwas gedulden bis die Zukunft beginnt?

Karl A. Hribernik: Für die Industrie wird es nicht so lange dauern wie für den privaten Gebrauch. Möglich sind sogenannte Campusnetze. Das heißt, man bekommt einen Sendemast auf das Firmengelände gestellt und kann somit auf dem Betriebsgelände alle Vorteile von 5G nutzen. Natürlich werden die Kosten eine Rolle spielen. Aber prinzipiell können sich somit auch kleinere und mittelständische Firmen fernab der Großstädte ihren eigenen Standortvorteil schaffen: ein lokales 5G-Netz.

Verändert 5G auch die Logistikbranche?

Karl A. Hribernik: Hier lassen sich ebenfalls mehr Lesepunkte erzeugen, beispielsweise entlang Autobahnen, und eine Nachverfolgung der Ware in nahezu Echtzeit wird möglich. Ein sehr spezifisches Beispiel ist die Zollabwicklung: Abgesehen von der schnellen und zuverlässigen digitalen Kommunikation zwischen Ladungsträger und Zollstelle, könnte die Möglichkeit der sicheren virtuellen Netze in 5G interessant sein. Denn gerade bei der Zollabfertigung geht es ja um eine sicherheitskritische Anwendung.

5G und RFID-Technologien könnten sich zukünftig bei der Produktkennzeichnung ergänzen. Bis dahin setzen wir u.a. auf die berührungslose, automatisierte Produktkennung mit RFID-Etiketten in der Logistik, industriellen Fertigung sowie im Handel. 

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